Ensemble für Intuitive Musik Weimar (EFIM),
Livemitschnitte aus den Jahren 1996 - 2003

Daniel Hoffmann / Trompete, Flügelhorn
Matthias von Hintzenstern / Violoncello
Hans Tutschku / Live-Elektronik
Michael von Hintzenstern / Klavier, Orgel, Synthesizer

1. Hans Tutschku: KLANGSPLITTER
. / 2. Mai 1999, Elisabethkirche Basel (Schweiz) / (08:56)

2. EFIM: BEGEGNUNG
. / 30. August 1997, Black Box Theatre, Singapur (09:36)

3. EFIM: HOMMAGE à STOCKHAUSEN
. / 13. Juni 2003, Kunststation Sankt Peter, Köln/ (08:30)

4. Hans Tutschku: FLYING TRUMPET
. / 10. September 1997, Goethe-Institut Bangkok (Theiland) / (09:23)

5. Matthias von Hintzenstern: GLÜHENDES INNEHALTEN
. / 28. Oktober 2000, Fürstensaal, Weimar / (07:20)

6. Michael von Hintzenstern / Hans Tutschku: DAS LÄRMEN DER WELT
... - Metamorphosen des Luther-Chorals "Aus tiefer Not schrei ich zu dir..."
. / 17. Oktober 1996, Stadtpfarrkirche St. Johann, Erding / (13:36)

Gesamtspielzeit: 57:24

Katalognummer: 040901
EAN 4 260019 750037

Weiter Informationen zum Ensemble finden Sie auch unter:
www.tutschku.com

Die graphischen Arbeiten wurden von KLAPPROTH+KOCH beigesteuert.
aus dem Booklet:

KLANG-REISE

Das "Ensemble für Intuitive Musik Weimar" (EFIM) im Konzert

Wenn man auf Reisen ist, gibt es eine Fülle an neuen Eindrücken. Die Bereitschaft, noch Unbekanntes zu entdecken, ist dabei groß. Das gilt für Städte und Landschaften ebenso wie für die Menschen vor Ort, die nicht nur eine andere Sprache sprechen, sondern oftmals auch eine ganz andere Mentalität haben. Neben faszinierenden Erlebnissen können irritierende und überraschende Eindrücke stehen. Zumeist zeigt sich jedoch, dass die Begegnung mit dem scheinbar Fremden eine Bereicherung darstellt, die den eigenen Horizont erweitern kann.

Ausgehend von dieser Erfahrung präsentiert das "Ensemble für Intuitive Musik Weimar" (EFIM) eine querschnittartige CD, auf der Live-Mitschnitte aus den Jahren von 1996 bis 2003 vereint sind. Sie wurden bei Konzerten aufgezeichnet, die in Deutschland (Weimar, Erding und Köln), der Schweiz (Basel), Singapur und Thailand (Bangkok) stattfanden. Die Auswahl erfolgte mit dem Ziel, möglichst vielfältige Eindrücke von der spezifischen Musizierweise der Gruppe zu vermitteln.

Klangsplitter eröffnete im Mai 1999 ein Konzert, das anlässlich der Klanginstallation "Die Kirche als Klangskulptur" von Hans Tutschku in der Elisabethenkirche Basel stattfand. Klavier und Live-Elektronik gestalten hierbei ein sensibles Wechselspiel, zu dem allmählich die anderen Instrumente hinzu kommen.

Begegnung (1997) reflektiert Eindrücke der in Singapur erlebten Kultur, wobei aus glockenhaften Klängen ein im wahrsten Sinne des Wortes heißer musikalischer Prozess erwächst.

Hommage à Stockhausen (2003) entstand als spontane Zugabe anlässlich eines Konzertes in der Kölner Kunststation Sankt Peter, das zum 75. Geburtstag von Karlheinz Stockhausen stattfand. Eine "Hommage" an einen maßgeblichen Wegbereiter!

Flying Trumpet (1997) ist geprägt von signalartigen Impulsen des Blechblasinstrumentes, auf welche das Ensemble unmittelbar reagiert, wobei sich ein spannender Dialog mit dem Violoncello entwickelt. Das extrem schwüle Klima Bangkoks scheint dabei mitzuschwingen.

Glühenden Innehalten (2000) geht von der intensiven Ruhe extrem hoher Violoncello-Töne aus, die sich vervielfachen und in neue klangfarbliche Sphären befördert werden. Aufgenommen im Jubiläumskonzert "20 Jahre EFIM" in Weimar.

Das Lärmen der Welt (1996) bringt die in vielen Konzerten praktizierte Verbindung von Orgel- und Ensembleklang. Als Ausgangspunkt dient der Lutherchoral "Aus tiefer Not ruf ich zu dir", der in der katholischen Pfarrkirche zu Erding eine dramatische Interpretation erlebte.

über das Ensemble:

"Ensemble für Intuitive Musik Weimar" (EFIM)

Im Jahre 1968 schuf der Komponist Karlheinz Stockhausen die so genannte "Intuitive Musik". Als Partitur für die Musiker dient lediglich ein Text als Spielanweisung. Die damit verbundene Freiheit bei der Realisation könnte als Freibrief für zufällige Interpretationen missverstanden werden, doch Stockhausens Intentionen waren von Zufälligkeit weit entfernt. Er sagte, dass er nicht "Unbestimmtheit", sondern "intuitive Bestimmtheit" suche, aus welcher die Musik entstehen soll. Sein Einsatz für freiere Musikformen diente dem Ziel, eine universelle Musik zu schaffen.

Stockhausens "Intuitive Musik" wurde zur formgebenden Inspiration für das "Ensemble für Intuitive Musik Weimar" (EFIM), das 1980 gegründet wurde.

"Klang-Reise" lautete der Titel zahlreicher Konzerte, die es in den ersten Jahren seines Bestehens gab. Das fing in einer illegalen Erfurter Galerie an, führte in zahlreiche Kirchen und nach Jahren sogar in den (Ost-) Berliner "Palast der Republik". Inzwischen hat es in 25 Ländern konzertiert - in Europa (14), Lateinamerika (7) und in Asien (4).

Zu DDR-Zeiten empfanden es die Musiker als notwendig und reizvoll, tabuisiertes und unerwünschtes Gebiet zu betreten. Die Hörer, deren Sehnsucht und Neugier schier unstillbar waren, folgten gebannt diesen Exkursionen. Der Name Karlheinz Stockhausen erwies sich dabei als Magnet - die Menschen kamen in Scharen. So fanden bis zum "Wendeherbst 1989" über 100 Konzerte mit seiner Musik in der DDR statt.

Nach der Grenzöffnung konnte das Ensemble 1990 erstmals vor Stockhausen spielen, der in einem Brief darüber schrieb: "...es war gut, daß ich Euch endlich im Konzert erlebt habe. Euch allen möchte ich danken: Ihr habt die Intuitive Musik lebendig gehalten. Wir werden gewiss gemeinsam diese eigenartige Musikform weiterentwickeln." Im Anschluss an eine intensive Probenphase im Mai 1991 schrieb er nach Weimar: "DANKE für die Pfingsttage: auch für mich waren sie außerordentlich lehrreich, und Ihr seid einfach 4 Engel! Ich werde helfen, wann immer ich eine Chance bekomme, daß Ihr weitergeht in der Entdeckung, Klärung der Intuitiven Musik."

Das Ensemble hat sich darauf spezialisiert, Neue Musik im Moment der Aufführung entstehen zu lassen. Ausgangspunkt sind oftmals nur minimale Spielanweisungen oder Konzepte.

Charakteristisch ist die enge Verzahnung zwischen den Instrumenten (Trompete/Flügelhorn, Violoncello, Klavier/Orgel) und Live-Elektronik, wodurch nicht nur eine Fülle neuer Klangfarben entsteht, sondern auch bisher kaum vorstellbare kommunikative Prozesse ausgelöst werden. Das im Computer befindliche mobile Studio wird als Musikinstrument eingesetzt. Technik fungiert nicht mehr als ergänzendes Beiwerk, sondern als Bestandteil des instrumentalen Wechselspiels.

Darüber hinaus übernimmt die Bewegung der Klänge im Raum eine wesentliche Rolle (8-kanalige Beschallung).

Seit Anfang der 90er Jahre widmet sich das EFIM hauptsächlich Eigenprojekten.

Es ist dabei stets auf der Suche nach "besonderen Orten", deren Ausstrahlung Akteure wie Zuhörer in gleicher Weise beflügelt. Das können Parkanlagen ebenso sein wie Steinbrüche, die des Nachts geheimnisvoll illuminiert werden.

Zu den prägenden Erfahrungen gehörte 1993 das Konzert in einem Lavafeld in Mexico-City, in dem - bei Vollmond! - ein Werk über die vier Elemente vor 2000 begeisterten Menschen aufgeführt wurde: ERUPCION DE SONIDOS - AUSBRUCH DER KLÄNGE. Im Jahr 2000 war es ein 670 Meter unter Tage in das Salz gefräster Konzertsaal, der die Hülle für das Werk KLANGSCHACHT SONDERSHAUSEN bot.

Ausgehend von Bauhaus-Traditionen wurden seit 1987 zahlreiche synästhetische Projekte realisiert. So konnten 1989/90 in den Zeiss-Planetarien in Jena und Berlin unter dem Titel VOM KLANG DER STERNE "abstrakte Farbvariationen im Kosmos" gestaltet werden. In KLANG - FARBE - BEWEGUNG (1990/1996/2003) kam es zu einem Wechselspiel mit mehrdimensionaler Projektion und Ausdruckstanz.

Zu den bisher aufwändigsten Kreationen gehörte FLAMMENKLANG MEININGEN (1996) für 16 Heißluftballonbrenner, Tänzer, Chor, Ensemble und Zuspielband von Hans Tutschku. Die unterschiedlichsten Konfigurationen sechs Meter hoher Flammen korrespondierten in dem abendfüllenden Werk mit dem musikalisch-szenischen Geschehen im Englischen Garten der Residenzstadt.

Als inspirierend erwies sich die Zusammenarbeit mit dem Choreographen Joachim Schlömer, mit dem IMAGINÄRE RÄUME für 4 Tänzer, Ensemble und Raumklangsteuerung durch berührungsempfindliche Tanzflächen (Sensoren) für das "Kunstfest Weimar 1996" erarbeitet wurde. 1998 kam es im Alten Gaswerk Weimar mit "Die Disco als Kunstraum" zu einer fruchtbaren Begegnung mit DJ Juryman (London). Anlässlich des europäischen Kulturstadtjahres "Weimar '99" gastierte das EFIM mit dem Projekt "Die Kirche als Klangskulptur" (Konzerte und Klanginstallationen von Hans Tutschku) in Paris, Basel und Plovdiv.

"Sakraler Tanz" stand 2003 im Mittelpunkt einer Präsentation zur KULTUR ARENA JENA in der Friedenskirche, die gemeinsam mit Christine Kono (Japan/USA), Dimitris Kraniotis (Griechenland/Frankreich) und David Kern (USA/Deutschland) erarbeitet wurde.

Ob auf der EXPO 2000 in Hannover, auf den Festivals in Porto (2001), Warschau (2002), Rom (2003) oder Wien (2004), stets ist das EFIM auf einer Klang-Reise, die neue Dimensionen des Hörens erschließen möchte.

Zu den Besonderheiten seines Wirkens dürfte hierbei gehören, dass es nicht nur eine Musik mit neuartigen Klängen präsentiert, sondern auch sogenannte "Sound-Scapes" (Klang-Schaften) aus fernen Städten und Landschaften aufzeichnet, um sie dann weiter zu verarbeiten und in spätere Aufführungen zu integrieren.

(c) 2004 Michael von Hintzenstern