faust I - Die wiederentdeckte Schauspielmusik / HARMS 151101

Liebe Musik- und Theaterfreunde,

...seit mehr als einem halben Jahrhundert sind uns die mehr oder minder starren Gattungsgrenzen zwischen Sprechtheater, Musiktheater und Tanz geläufig und selbstverständlich geworden.

...Zwar greifen Schauspielregisseure gern zu Musik und chorischer Aktion, um Texte zu verstärken, Szenenwechsel zu gestalten oder zusätzliche Emotionen ins Spiel zu bringen. Aber das ändert wenig an der Spartentrennung – wir gehen eben ins Schauspiel oder in die Oper.

...Wie komplett anders dagegen war die Aufführungspraxis auf deutschen und europäischen Bühnen im 19. und noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

...Durch die musikwissenschaftlichen Forschungen der letzten Jahre ist unser Bild der Theatergeschichte gründlich erweitert worden. Goethe selbst z. B. konnte sich sein Opus Magnum gar nicht anders vorstellen als ein dramatisch-musikalisches Gesamt-kunstwerk mit Liedern, Chören, Entr'actes und melodramatischen Textrezitationen.

...Große Passagen seiner „Faust“-Tragödie sind dezidiert für eine musikalische Umsetzung „komponiert“. Um die Verse in ihrer ästhetischen Vielfalt und theatralischen Wahrnehmung zu steigern, war er im Kontakt mit Komponisten seiner Zeit. Seit der Entstehung von Goethes epochalem Werk ist die Zahl der durch „Faust“ inspirierten Vertonungen fast unüberschaubar geworden. Neben Liedern, einzelnen Szenen und ganzen Opern existieren umfängliche Schauspielmusiken.

...So gut wie vergessen, ist die monumentale Komposition von Eduard Lassen. Der dänisch-belgische Komponist war der Nachfolger von Franz Liszt als Kapellmeister am Weimarer Hoftheater. Seine groß orchestrierte „Faust“-Musik ist für die Rezeptionsgeschichte beider Teile des Stückes von enormer Bedeutung. Nach ihrer Vertreibung durch die nationalsozialistische Kulturpolitik von den Bühnen erklingt die Musik zu der „Tragödie erster Teil“ nun seit 1933 zum ersten Mal in einer konzertanten Fassung wieder.

...Diese Schauspielmusik war nach der Uraufführung 1876 in Weimar fast 60 Jahre auf zahlreichen deutschen und ausländischen Bühnen bei „Faust“-Inszenierungen präsent. So auch 1922 in Rudolstadt.

...Das Rudolstädter Theater mit seiner deutschlandweit einmaligen Spartenkombination von Schauspiel und Orchester hat sich bereits in der Vergangenheit für die Wiederentdeckung derartiger Text-Musik-Gesamtkunstwerke eingesetzt. Im April 2015 brachten die Thüringer Symphoniker Eduard Lassens opulente Musik im Rahmen eines Sinfoniekonzertes mit Chor, Gesangssolisten und Schauspielern gemeinsam zur Aufführung und entrissen sie so dem Schlummer der Archive.

...Wir möchten mit diesem Konzertmitschnitt – auch wenn die ursprünglich sechsstündige Aufführungsdauer der Weimarer Aufführungen hier nicht original wieder gegeben werden kann – einen kleinen Einblick in die multimediale Schauspielästhetik des 19. Jahrhunderts wagen, die Goethes Werk als synästhetisch aus Text, Musik, Bild und Bewegung verwobenes sinnliches Gesamterleben auf die Bühne brachte.

Oliver Weder / Michael Kliefert

Eduard Lassen (1830-1904),
Schauspielmusik zu Goethes »Faust. Der Tragödie erster Teil«

Theater Rudolstadt / Intendant: Steffen Mensching
Thüringer Symphoniker Saalfeld-Rudolstadt
Musikalische Leitung: Oliver Weder
Kammerchor der Hochschule für Musik »Franz Liszt« Weimar
Einstudierung: Prof. Jürgen Puschbeck

Gesangssolisten:
Isabel Stüber Malagamba - Mezzosopran
Walter Farmer Hart - Tenor
Peter Potzelt - Tenor
Ludwig Obst - Bariton
Roland Hartmann - Bariton
Florian Kontschak - Bass

Sprecher:
Steffen Mensching - Faust
Matthias Winde - Mephistopheles
Markus Seidensticker - Direktor / Der Herr / Bürger
Ute Schmidt - Erdgeist / Die Hexe / Böser Geist
Marcus Ostberg - Direktor / Wagner / Bürger
Lisa Klabunde - Margarete

Texteinrichtung: Michael Kliefert / Oliver Weder

Für die Textfassung verwendeten wir die Kerkerszene aus dem Urfaust.
Weitere minimalste Differenzen
zu Goethes Werk sind Folge der
Devrient’schen Fassung für die Partitur von Eduard Lassen.

Aufgenommen am 16. & 17. April 2015 im Meininger Hof Saalfeld

Doppel-CD,
CD1: 75:59
CD2: 51:37

H.A.R.M.S. 151101 / EAN: 4 260019 750204

Eduard Lassen (1830 - 1904)